Frage zwischen den Orten... papierschiff... Wiederkehr ...
Entdeckung
... Lange Nacht ...meiner seelenfreundin ...Guck mal! Irgendwie gleich ...Lebenswert ...Kurz vor Weinnachten ...
Zu dir hin
... meine lieblingsfarben ...Frühlingshauch ...Roll on minderheit ...Rendezvous... Genau besehen... Horch! ...
land zum schlafen
... zum beispiel bergen-belsen. .
Kulturelles Erlebnis
... rechtschreibereform
Nicht ganz dichte Gedichte:
...Ne Fliege ...Ein Hut...Feldhase...
Wer war das
...Für meine KatzF

Copyright bei der Autorin. Aus: Tatjana Muster
Vom Rollen und anderen Dingen
Lyrik und Kurzprosa

erschienen 2001 bei: Books on Demand
140 Seiten - 9,10 EUR - ISBN 3-8311-1457-9

F
Frage zwischen den Orten

Es wird regnen.
Zwischen den Wolken höre ich
Lachen, Fröhlichkeit.
Sträubt sich der Baum etwa dem Sturm?
Aber-
er kennt nicht die Frage,
die zwischen den Orten wohnt.
Der gelassene Ruf eines Vogels
findet sich jetzt nur mühsam
in den Ziegeln meines kleinen Hauses wieder.
Überstanden hat es zwar
das einst unerträgliche Grün des Grases.-

Du traust deinem dünnen Mantel nicht,
der nicht dir gehört.

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pa
papierschiff

ich schenke dir
ein sc
Hiff aus papier -
Oh, wirst du nicht weinen,
wenn der wind sich dreht ?
aber - unentzi
FFerbarer noch
das gelb der falle
Nden blätter
im herbst.
lös
UngeN - griechisch- und mathematische -
auf löschpapier
Geschrieben ,
lös(t)en die fragen nicht
AUF .
in der
Luft schwebt noch,
fast vergessen,
ein g
Eruch
von angst -
das rasiermesser von gestern
liegt
verstau
Bt
im handschuhfach
und
die tränen sind das m
Eer,
indem dei
N schiff gondelt

- BIS ZULETZT. BIS ZULETZT.

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Wi
Wiederkehr

Die Nacht zerfällt im Schwarz, dein Blick fragt stumm,
blaßblaue Rosen einsam, und dein Kuß verweht
im Schatten einer Zeit. Und eine Greisin geht
gebeugt, gebrochen, grau im Kreis herum.

Der Wind steht still. Indessen sachte dreht
ein dunkler Fremder einen Orgelton
rinnend von Dächern als mohnroter Hohn;
Gesichtlose Gestalten murmeln wächsern ein Gebet

im Schnee - ein Stern verglüht, vergessen wird ein Traum,
ein Schaudern geht durchs Gras, an einer Wand
zerbricht kristallnes Glas; geflohnes Land.

Die Uhr schlägt eine andre Angst. Im fensterlosen Raum
zittert ein schwerer Blick und eine Knochenhand
fleht fliehend nach dem Rausch, in dem ich deine fand.

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Ent Entdeckung

Heute Nacht
lief ich
davon
aus meinem Haus
und meinen Behinderungsgefühlen
die sie mir zuordnen
lief und lief
im Vorfrühling
Kälte klirrt noch
lief ...
atemberaubt
durch
die leise singende Tauluft
stand
blickte
blickte lange
sehnend
in den schwarzklaren Himmelhintergrund
Heute Nacht
habe ich in ihm
etwas Neues entdeckt
sternengleich -
MICH

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La
Lange Nacht

Beim Aufwachen
morgens
sagen sie mir
mir fehlt ein Bein
den Ärzten tut es leid
es war nichts mehr zu machen
sie haben alles in ihrer Macht Stehende getan
und fragen
wie es UNS geht
Draußen dämmert es
und ich antworte
Schmerzen habe ich woanders, ich sagte es schon und schon
und ohne Bein
kann es nicht gehen
nicht wegoperiert sondern wegignoriert
alles getan dafür
ihre Macht
ich erkenne Lügen und Enteignungen
fehlt nur noch
meine Wut
Eines Tages werde ich
einfach aufstehen
gegen alle medizinischen Erkenntnisse
wird es gehen
werde
meinen Körper und meine Krankheit einbehalten
meine Schmerzen benennen
Diagnosen und Diagramme verweigern
und es wird mir dann gut gehen
an nichts fehlen
weil es kein UNS mehr gibt -

Geht zum Teufel.

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seele
meiner seelenfreundin

komm
laß mich und dich
ein UNS finden
laß uns unsere einsamkeiten austricksen
sie zuhause in den schlaf singen
und wir treffen uns dann
auf der bunten, duftenden sommerwiese
hinter den häusern
für stunden
um papierfliegerinnen zu falten
und sie
gemeinsam
in den milden wind
des jetzt zu legen,
sie anzuvertrauen
uns

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gleich
Irgendwie gleich

Wir sind doch
alle
irgendwie
behindert,
sagst du,
und machst mich damit gleich
dem Erdboden
auf dem ich nicht stehe
sondern humple, rolle
und gleicher
an-maßen-d
machst du euch
diesem Boden
auf dem ihr nicht zu rollen
im-Stande
seid
ohne
Gleich-gewichtigkeits-übungen

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lebens
LebensWert

Im Fernsehen
wieder
Diskussionen
ob ich es wert wäre
zu leben
Eugenik
vorgeburtliche Diagnostik
Euthanasie
und ich denke mir
mit 15 Jahren wäre ich
gestorben ohne den med. Fortschritt
vor 60 Jahren wäre ich
vergast aufgrund des ideologischen Fort-Schritts
in ein paar Jahren würde ich
wegen beidem nicht geboren werden
wie soll ich leben
mit dieser Vergangenheit
in Zukunft

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weinnacht
Kurz vor Weinnachten

Sitze trinkend
und denke
an meine Kindheit ohne Zukunft
in meinem Stühlen
sitzen
scherzend Schmerzen anderer Art
ungeladene Gäste der Gegenwart
untereinander aufdringlich plappernd
über Zukunft mit mir
schon betrunken von Vergangenheit
entgegne ich ihnen
mit einsamen Worten
nichts
außer
ängstlichen Vergangenheits-Zukunftstränen

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guck
Guck mal!

Guck mal, Mama, der hat nur ein Bein!
- komm sofort hierher!

Schau mal, wieso läuft die Frau so komisch?
- PST! Sowas fragt man nicht!

Papa, da! Die sprechen nicht und bewegen ihre Hände! Das will ich mir genau ansehen...
- Nein! Wir gehen jetzt. Man weiß nie bei solchen Menschen...

Opa! Die Frau hat einen Hund und warum bewegt sie ihren Stock hin und her?
- komm geh aus dem Weg. Das ist ein armer Mensch. Traurig...
Aber sie lacht doch?
- das verstehst du noch nicht...

Warum hat sich der Mann schwarz angemalt?
- hör auf, man zeigt nicht auf andere Menschen! Das mußt du lernen!

Also, ich lerne über Menschen, die anders sind: Nicht hinzeigen, nicht hingucken, nicht neugierig sein, nicht fragen, nicht anfassen, aus dem Weg gehen und glücklich sind die nicht, auch wenn sie lachen.

Und woher wißt Ihr das eigentlich?

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zu dir hin

Zu dir hin

Ich habe nicht Worte noch Namen
für das, was ich gefühlt,
es ist wie das Weinen um Blumen,
die lange schon verblüht.

Es ist die Freude auf das,
was in mir noch nie war
und die Angst um den Verlust,
von etwas, das nie geschah.

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farben
meine lieblingsfarben

meine gefühle
sind blau
und gelb
wie
geschundene farben
aber
oft
wunderbar
in ihrer
intensität

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hauch
Frühlingshauch

ich rieche endlich lachende veränderung
aber es ist nur der wehmütige frühling
er täuscht mich, wenn ich dir
in die augen schaue, lange, sehnend

sachter frühlingsduft
in meinem erwachenden herzen
macht mich betrunken
nach nähe zu dir

aber deine sommerwiese
sprießt schon
in einem anderen herzen

trotzdem
halte ich blumenwache
eine stille, lächelnde zeit
bevor
wieder
trauertau mein herz leise umweinen darf

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roll
Roll on

aus der norm fallendes
fällt auf
fällt hin
durch gesetze
durch vorurteile,
die alles dafür tun
krümmt sich am boden
steht nicht mehr auf
?

ich rolle euch davon

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minderheit
minderheit

in diesem land
wird
verdächtig oft das wort
minderheit
deklariert.
Mann (weiß, christlich, nichtbehindert, hetero...)
könne schließlich nicht
jeder minderheit
rechte einräumen
z.B.
lesben
schwulen
behinderten
immigrantInnen
anders(un)gläubigen
kindern
alten
frauen...
marsmenschen
kühlschränken

natürlich. wir verstehen das.

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Rendezvous
Rendezvous

Heute nacht
hat mich
meine Krankheit
besucht
mit einem riesigen
roten
Strauß voller Schmerzen,
der mich
zurückwarf
Jahre um Jahre um
Jahre um
Erinnerungen in
Dornen.

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genau

(zum Urteil vom 29.10. 97 des BVG über die (De-)Integration einer 13-jährigen behinderten Schülerin)

Genau besehen

Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein
Rollstuhl

Ein Urteil ist ein Urteil ist ein
Vorurteil

Eine Behinderung ist eine Behinderung ist eine
staatlich geförderte Maßnahme

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land
land zum schlafen

ich weiss
es gibt dieses land nicht
indem ich schlafen kann
indem

keine norm uns zwingt
leben abwertig macht

indem
... ein vogel singt
ein duft erwacht
und sacht durch die nacht
ein sternchen hinkt
und blinkt und lacht

und ich bin ich
und liebe mich
und mein leben
so anders es ist
und manchesmal schwer...

dieses land gibt es nicht
ihr laßt uns nicht

es gibt kein land zum schlafen

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horch

(Wer nicht hören kann, muß sehen ... und anderes)


Horch!

schau wie die vögel zur sonne zwitschern, ihre flugbahn erzählt davon
unruhig wird dann die landschaft -
wie mein haar wehren die birken sich nicht gegen den aufkommenden wind - laut mag er sein
die blätter rascheln im auge
wirbeln herum,
hoch und nieder beugt sich das geäst,
krächzt in der hand
verfärbt das mächtig wogende grün des grases
im schnellen wechsel zu dunklen flecken
erde riecht nach regen, der bald kommt
- schatten fallen vom himmel in meinen bauch
berauben mich der wärme auf meinem gesicht,
hie und da ein sonnenstrahl
kämpft sich durch wolkenmassen und fällt

lautlos

auf meine haut
sieh!

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bergen-belsen
zum beispiel bergen-belsen

buchstaben, bekannt; wörter, zu abgenutzt im schrecken
zu grausam unvorstellbarvielmenschenverachtung
zahlen oft gelesen, zu hoch unvorstellbarvielmenschenleben
hebräische schriftzeichen neben bild um bild um bild..., das keiner übersetzung bedarf
während wir das gelände abrollen, abschreiten
erklärt sie viele ziffern,
auch hier zuviel gras, das darüber wuchs
denke ich erst 1991 wurde mit dem freilegen der barackenreste begonnen
unerträglich
400.000 kranke, (geistig) behinderte
euthanasie - diese worte gibt es noch immer
noch immer
gibt es sie
unerträglich
und ich denke, verstört, die latrine
mit dem ast über den betonpfeilern
war nicht
rollstuhlgerecht

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kultur
Kulturelles Erlebnis

Vorgestern hatte ich kein kulturelles Erlebnis;
Die Ausstellung "Rassismus in verschiedenen Kulturen"
wurde im 3. Stock gezeigt (natürlich ohne Aufzug)

Auch gestern hatte ich kein kulturelles Erlebnis;
Der Vortrag "Kommunikationsformen in der Kunst"
wurde ohne GebärdensprachdolmetscherIn organisiert

Aber heute hatte ich ein kulturelles Erlebnis;
ich blieb zuhause
und schrieb
dieses Gedicht


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reform
einige gedanken zur rechtschreibereform

ich versteh nicht,
wieso einige versuchen diese reform anzuschwärzen,
denn
im großen und ganzen hat diese sache doch hand und fuß
und wir alle
auch rollifahrerInnen
profitieren schlußendlich davon, daß dies auf die beine gestellt wurde
die ausländerInnen haben es dann
auch leichter:
negerkuß schreibt sich dann ganz einfach negerkuss
und der mohrenkopf bleibt sogar derselbe.
in aller herren länder, auch wenn da frauen leben,
sind sprachliche veränderungen wichtig,
aber leider stößt dies
noch immer auf taube ohren -
naja, dieser vergleich hinkt,
aber
mann muß einfach blind sein, um nicht zu verstehen wie sehr unsere sprache einer reform bedarf,
damit solch wichtige wörter wie 'spaghetti' und 'mayonnaise'
nicht mehr so lahmarschig geschrieben werden müssen.
klar, daß eine gewisse zeit der eingewöhnung notwendig ist,
aber immerhin bleibt die klein- und großschreibung erhalten, so daß
sich für uns frauen ja auch nicht soviel ändert; das patriarchat
wird weiterhin GROSS geschrieben
und
wenn alle üben bis zur vergasung
dann
HERRscht bald eine bombenstimmung im land
und
eine überaus wichtige sprachliche veränderung
wurde mobilisiert.
oder?

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Fliege
Die Stubenfliege

Es war mal eine Stubenfliege,
die saß auf einer Flurenstiege.
Die litt an ihrem kurzen Leben,
denn dem war nur ein Tag gegeben

'Und wenn mich nun...', seufzte sie laut,
'ein Mensch ganz plötzlich niederhaut!?
Sowas geschieht doch alle Tage!"
Und sie bedauerte die Lage.

'Oder ein Vogel frißt mich auf?!
Nicht selten ist's! Ein Fliegenlebenslauf!
Ach, meine Zeit ist kürzer noch bemessen... ',
so jammerte sie fort. Indessen,

ihr ahnt es schon, die Zeit verann
- wie das die Zeit so tut. Und dann
als grad der Mond am Himmel klebte,
starb eine Fliege - die nie lebte.


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Hut

Ein Hut

Ein Hut macht Mut
Eine Tüte macht Güte
Eine Flöte macht Nöte
Eine Katz macht kratz
Und ein Hund macht gesund.
Eine Hand macht "Land" *
Und zwei Hände machen "Wände"

Eine Frau macht Radau
Und ein Kind sieht rot
Und Macht macht tot
Und Gewalt macht kalt
Und Radau macht eine Frau
Und zwei Frauen machen Grrrrrauen
Und ihr Mut tut gut.


* diese beiden Zeilen 'funktionieren' nur, wenn dazu gebärdert wird


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hase
Der Feldhase oder: Die Wahrheit

Es sitzt ein Hase auf dem Feld
der heult nicht, nein, der Hase bellt ...
- was solln denn diese Lügen hier ?
Wir lügen nicht, wir fügen hier


der Wahrheit halber ein:
Der Hase war ein Schwein.
- ein Schwein, das bellt ?? Das gibt es nicht!
An Wahrheit ists, was euch gebricht!


'Gebricht' ... das ist ein gutes Wort
Gebricht ... brechen ... gebrochen ...
Ich habs! Es war ein Rochen!


- Jaja ... es war ein Rochen,
der auf dem Feld (!) gekrochen ...
Fürwahr! Und der dann dort -
Na endlich nimmste mich beim Wort


- wird auch Zeit, das ganze Gedicht ist schon versaut,
vielleicht wars doch ein Schwein? -


ERGO:
... der Rochen, der dann dort
laut seufzend in den Himmel bellt:
" Es gibt nichts Wahres auf der Welt!"
- nanu; jetzt isser fort.


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wer

WER WAR DAS?


Wer stapfte zur goligen Gruft?
Wer fuschte die läuige Luft?

Wer war das?
- der Mehrschuft?
Achwas.


Wer knunfte die klorrende Kluft?
Wer rispte den Knorgenduft?

Wer war das, wer?
- der Nimmerschnufft?
Achwas ..., der!


Wer fläufte den gruhligen Flau?
Wer guggelte fliegelgenau?

Wer war das?
- der Mondklau.
der Mondwas?
- der Mondklau!
der war wer??
- der war das.
"der" war was?
- "der" war "wer war das"!!!
ach, ... DER?!?
Achwas!

Es war ...
das Fragezau.


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katze

Für meine Katz

Ich sag zu meinem Fridolin
Geh weg! Ich hab hier Sidolin
und will die Fenster putzen -
das ist für mich von Nutzen

Er sitzt und blickt zum Fenster,
ich putze glanz und glänzer
und als ich endlich fertig bin,
da geht er ruhig zum Garten hin

-der naß ist um die Jahreszeit,
achja; ich sagt es nicht: es schneit!
Der Schnee wird schnell zu Matsch,
da Regen fall und platsch-

Nach kurzer Zeit kommt Fridolin
zum Fenster mit dem Sidolin
und schmiert mit seiner Tatz
in aller kätzischen Seelenruh
das ganze glänzende Fenster zu
der Fensterputz war - für die Katz.


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