Mein Buch ist da!


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Lesung und Ausstellungseröffnung im Oberlandesgericht Dresden im August 2002

Ausgestellt werden Motive aus der Postkartenserie "EntARTungen" sowie einige Gedichte. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben.

Tatjana Muster

Vom Rollen und anderen Dingen

Lyrik und Kurzprosa

erschienen 2001 bei:
Books on Demand
140 Seiten - 9,10 EUR - ISBN 3-8311-1457-9

schnell geliefert über:

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ZUR PERSON

Jahrgang 1968 und in Südbaden geboren.
Von 1990-2000 wohnhaft in Bremen, hier Studium der Germanistik und der Kulturwissenschaft, dann als Grafikdesignerin tätiga.
Seit 2001 wohnhaft in Leipzig.
Ich bin gehörlos (ertaubt) seit meinem 20. Lebensjahr durch eine Krankheit, die progredierend ist und mit Operationen einhergehend. Durch diese bin ich inzwischen auch Benutzerin eines Rollis.


ZUM BUCH

Schreiberisch bin ich schon lange tätig. Das Bewußtsein, behindert zu sein bzw. zu werden(sowohl i.S. von der ständigen Veränderung meines Zustandes alsauch i.S. von "Behindert ist man nicht, behindert wird man") und der Mut anders zu sein, haben sich aber erst nach und nach entwickelt und in meine Gedichte und meine sprachliche Ausdrucksweise eingeflossen.
Ich möchte mit diesem Buch nicht nur mir einen alten Wunsch erfüllen, nämlich viele persönliche Schmerzerfahrungen - manchmal jenseits von Behinderung und gesellschaftlichen Einflüssen - in einem Buch einen Namen finden zu lassen.Ich möchte damit auch Menschen mit Behinderungen, ganz besonders Frauen, erreichen. Gerade in Zeiten, in denen Anderssein immer schwieriger wird, gesellschaftliche Veränderungen Konformität erzwingen und Lebensrechtei n Frage stellen...
Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem.


Reaktionen&Rezensionen:

Liebe Leute

Ich freue mich über eure Kritik - und werde sie hier veröffentlichen. Wer gerne mit dem vollen Namen erscheinen mag, soll
mich anschreiben, ebenso wer hier gar nicht stehen will.

hab schon viel in deinem buch gelesen. ich bin begeistert. du hast ja eine gabe, in wenigen worten so viel zu sagen. toll! und vor allem: du schaffst es witzig und hintergründig zugleich zu sein. ich liebe wortspiele.

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Thomas K.

Toll, toll, Dein Buch ist sehr schön geworden. Ich habe gleich darin gelesen Mich haben die Gedichte sehr berührt. Ich glaube, wir werden durch das Buch dich ganz neu kennenlernen.

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R. G. Muster

Liebe Tanja, vielen Dank für das Rezensionsexemplar! Habe mich schon einige Male in dein Buch versenkt und wurde immer in den Bann geschlagen. Die Rezension wird hoffentlich in der Juni-Ausgabe von DAS ZEICHEN erscheinen....

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Gunda S.

dein buch habe ich mittlerweile auch, man kriegt es ohne weiteres, dauert nur ein wenig länger, wenn es bestellt wird. nunja, ich war sehr fasziniert und habe es direkt zweimal hintereinander verschlungen. vor allem find ich
deine gedichte sehr mutig und auch nach vorne schauend. etwas weniger zugang hatte ich zu den prosas am ende. aber da steige ich bestimmt auch noch hinter. ich finde, du bringst viele sachen auf den punkt und gefallen hat mir auch, dass die gedichte auch andere linke, unbequeme sachen behandeln, wie eben gewalt gegen frauen. köstlich fand ich z. b. die "rechtschreibreform", oder schmerz beiseite oder das kulturelle erlebnis. es gab natürlich auch gedichte, die mir persönlich weniger gefallen haben, aber das soll dein buch keineswegs abwerten, vor allem finde ich dein buch unglaublich mutig und es hat mir spass gemacht es zu lesen.

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Marion R.

Liebe Frau Muster, seit vorgestern besitze ich Ihr Buch. Frau B. hat uns die 5 Exemplare am Freitag aus Leipzig von Ihnen mitgebracht und sie am Montag verteilt. Ich habe noch lange nicht alles gelesen, aber ich bin schon jetzt begeistert. Sie haben eine wunderbare Art mit Sprache umzugehen und damit zu spielen, auch bei ernsten Themen - wo mir schon manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Wir haben uns im Verein daraus gegenseitig vorgelesen und jede von uns Frauen trifft es auf ihre Weise. Herzlichen Glückwunsch zu dieser so gelungenen Veröffentlichung! Ich bin selbst auch sprachbegeistert und arbeite manchmal hobbymäßig als Anleiterin für kreatives Schreiben, deshalb beeindruckt und beschäftigt mich Sprache auch so. ... Auch die beigefügten Karten sind toll. Sie lesen wieder eine Mail von mir, so bald ich mit der Lektüre weiter fortgeschritten bin. Herzliche Grüße und Dank für die Lesefreude und Lesetrauer, die Sie mir und vielen Anderen beschert haben.

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Angelika W.

Hallo Tanu,
bin seit gestern stolze Besitzerin Deines Buches (ueber Amazon bestellt) und moechte Dir dazu gratulieren. Es ist mit so viel Liebe geschrieben, zusammengestellt und layoutet, dass es zu meinem Standard-Geschenk fuer behinderte Frauen in meinem Umfeld werden wird - vielleicht auch fuer ein paar nicht behinderte Frauen.
Ich hoffe, dass das Buch ein Erfolg wird/ist. Wirst Du
Lesungen halten (vielleicht auch in Gebaerdensprache)? Waere mal was neues. :)
Viele Gruesse

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Christiane O.

Hallo Tanja,
Dein Buch habe ich gelesen, viele Passagen mehrfach. Besonders gefallen hat mir:
- Guck mal
- Minderheit (hier fielen mir schlagartig die "Ossis" ein, wenn ich an die Löhne denke, aber ist das überhaupt wichtig ?)
- Verdammt schwierig
- Entdeckung
- Mira
und, und, und.
Mit der Kurzprosa "Irrtum" hatte ich meine Probleme.
Dein Stil gefällt uns sehr, er ist tiefgründig, voller bitterem Humor. Ein Buch, wo einem die Oberflächlichkeit des Alltags richtig bewusst wird. Die Nichtigkeiten worüber man sich aufregt. (Ob der Nachbar zum Beispiel die Hausordnung macht oder nicht!) Man stellt sich die Frage "Was kann ich, was muss ich tun, um später sagen zu können, das Leben war lebenswert. Mach weiter so.

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Christine und Gottfried S.
Hab dein Buch angefangen zu lesen (die ersten Seiten) Ich finde Dein Buch über das "Rollen und andere Dinge" begeisternd, treffend in der Beschreibung des Alltagserlebens
und manchmal auch etwas verletzend gegenüber dem Durchschnittsmenschen. Es beschreibt ja Dein erleben in unserer Zeit.
Von der künstlerischen Gestaltung sehr ansprechend und praktisch abwaschbar.
Vera F.
   
Rezensionen:

"Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Rollstuhl" von J. Pätzold, in EVENTuell 2001, Leipzig

"Eine Frau fällt aus der Rolle" von G. Schröder in DAS ZEICHEN 2001, Hamburg

"Minderheit in einem Meer von Minderheiten" von R. Wank in AKB-Bladl 2001, München

"Vom Rollen und anderen Dingen" von M. Rohde in DIE QUERELE 2001, Leipzig

"Von fremden Welten" von A. Beerlage in VIRGINIA 2002, Frankfurt
 

Tatjana Muster: Vom Rollen und anderen Dingen, BoD 2001

"Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Rollstuhl"
Mit Wortwitz und Überzeugungskraft schreibt Tatjana Muster Gedichte und Kurzprosa über das "Behindert werden" in der heutigen Zeit. Zum einen über den Schmerz, sich an fremden Maßstäben messen lassen zu müssen, der "Normalität" nicht zu genügen, deshalb kaum als Frau, immer aber als anders wahrgenommen zu werden. Zum anderen voller Kraft über den Zorn, den die fehlende Sensibilität gegenüber Behinderten, das Nicht-Wissen-Wollen, auslöst. Es sind zum Teil sehr ernste Worte, die von Freundschaft, Liebe und Frust berichten. Daneben aber sprießt der Humor in "nicht ganz dichten Gedichten" á la Morgenstern. Und die Leipziger Autorin beweist, dass sie mit Prosa ebenso gut wie mit Gedichten umzugehen weiß. Das Buch ist für behinderte wie nichtbehinderte Frauen eine Bestärkung, das politische Engagement nicht aufzugeben!

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Rezension erschienen in der EVENTuell 5/01 (Leipziger Frauenveranstaltungskalender) von Johanna Pätzold

Eine Frau fällt aus der Rolle
"Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem"

von Gunda Schröder in DAS ZEICHEN, Zeitschrift für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, Juni Nr.56 2001, 15. Jhg., S. 338 ff.

Aus einem marsroten Hintergrund rotiert eine exzentrisch versprühende in hellem Sonnengelb heraus. Vor diesem aggressiven Farb- und Formenspiel ruht die blaue Titelschrift wie der Dreh- und Angelpunkt der optischen Spannugsentladung. Diesen visuell starken Eindruck vermittelt das Cover Buches VOM ROLLEN UND ANDEREN DINGEN, dem ersten Lyrik- und Kurzprosaband von Tatjana Muster. Die Gedichte, Kurzerzählungen und Sprachexperimente sind in den Jahren 1989 bis 2000 entstanden und wurden nun bei Books on Demand zusammengefasst und herausgegeben.

Die emotionale Kraft, die bereits in der Gestaltung des Covers zu spüren ist, setzt sich auch in der literarischen Ausdrucksform der Autorin fort. So, wie sich das Cover in unterschiedlichster Weise interpretieren lässt, variiert sie die Themen, denen sie sich sprachlich anzunähern versucht und weist ein ,mustergültiges' Ergebnis mit einem besonderen Tonfall vor. Der thematischen wie formalen Vielfalt setzt sie ein eigenes Gepräge auf und verfolgt dabei das Ziel: "Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem".
Tatjana Muster, Jahrgang 1968, hat Germanistik sowie Kulturwissenschaft studiert und war als Grafikdesignerin tätig (1). Wegen einer fortschreitenden Krankheit ist ihr Sehvermögen eingeschränkt. Sie ist ertaubt, auf einen Rollstuhl angewiesen und schon alleine deswegen "anders und unbequemer" als viele andere Menschen.
Sie stellt Forderungen an die Umwelt und teilt Kritik in alle Richtungen aus: Ihr erstes Gedicht, das sie allen anderen voranstellt, ist mit dem Zusatztitel versehen: "Überall draußen". So ist die Schwerhörige unter Hörenden "weggeschoben", genauso wie die Frau unter Männern oder die Rollifahrerin unter Gehörlosen. Überall das Gleiche:
"und the same procedure in sogenannten political correct kreisen". So grenzen auch Gehörlose Menschen mit anderen oder zusätzlichen Behinderungen aus, organisieren z.B. Kulturveranstaltungen in für Rollis nicht erreichbaren Räumen und sind darin nicht anders als Hörende. Unverkennbar ist Tatjana Musters politischer Anspruch, der bereits Geschichte hat: Anderthalb Jahre layoutet sie die behinderten-politische Zeitschrift die randschau, bevor deren Produktion eingestellt werden musste.
Mit den vorgelegten Gedichten und Kurztexten ist sie "AUF DER SUCHE" nach einem Selbstbild, das nicht gesellschaftlich bestimmt ist und sie als Behinderte negiert: "Wohin habe ich nur / heute wieder / mein ich / verlegt/ich glaube/ du, NB / stehst drauf" (NB bedeutet: nichtbehinderteR).
In ihrem Werk sind die feinen Verästelungen der Auswirkungen des Behindert-ist-man-nicht,-behindert-wird-man sehr genau verzeichnet. Sie spürt einige Redewendungen und Schreibweisen auf und plaziert sie auf frappierende Weise, wie z.B. in "GEFLÜGELTE WORTE huhn/adler/möwe/amsel/spatz/ taube nuss".
Neben der geschriebenen Sprache scheint auch die Gebärdensprache eine wichtige Rolle für die Autorin zu spielen: In manchen Gedichten vermerkt sie zu einzelnen Zeilen, dass sie zusätzlich gebärdet werden sollen, um gänzlich verständlich zu sein. Ein niedliches und in seiner Schlichtheit schönes Kindergedicht "HUHU (für Ludwig)" besteht aus nur 3 Handstellungen, 2 Handformen und 1 Gebärde. Im Anhang ist ein Fingeralphabet und eine Erklärung zu "Was ist gehörlos, ertaubt, schwerhörig?" zu finden.
In etlichen Texten scheint der Topos des Schreibens als Leben auf, weil Tatjana Muster mit dem Schreiben Vieles möglich ist. Sie ist als ertaubte und schlechtsehende Rollifahrerin in gesellschaftlich bestimmten Räumen nicht so flexibel wie ,normale' Menschen, aber fliegen kann sie: Im magischen Raum der Literatur fliegt sie - alles ist möglich, was die produktive Phantasie hergibt. So fliegt sie ihre zehn Runden um den Block. Die Freundinnen hingegen müssen joggen, denn ohne Sehnsucht "ist man zu schwer zum fliegen".
Im Kapitel "Nicht ganz dichte Gedichte" lässt sie der produktiven Phantasie im morbid-kecken Stil eines Christian Morgenstern freien Lauf: "Wer stapfte zur goligen Gruft? / Wer fuschte die läuige Luft?/ Wer war das? / - der Mehrschuft? / Achwas. /..." .
In einer Erzählung schlägt ihre Phantasie weitere Purzelbäume: Die Geschichte "Meine Schwester" beendet sie auf folgende Art: "Hier hat es angefangen und hier soll es enden, unter dieser Trauerweide, diesem blauen Himmel. Diese Geschichte wäre zu erzählen gewesen. Aber ich habe nie eine Schwester gehabt". Mit der Offenbarung ,Aber ich habe nie eine Schwester gehabt' macht sie einen Rückzieher aus ihrer fiktiven Erzählhaltung. Mit der selben Eigenmächtigkeit, mit welcher sie ihre erzählerische Seifenblase hat entstehen lassen lässt sie sie wieder zerplatzen. (Oder sie hat selber nicht genug an ihre Geschichte glauben können?) Der Erzählbogen führt wieder in die Wirklichkeit der Erzählerin zurück, decouvriert den doppelten Boden, aus dem die Geschichte gezaubert worden ist und lässt den Leser an seiner Illusion quasi auflaufen. So wird die Leichtigkeit, aber auch die Fragilität erzählter Phantasiegebilde spürbar und zum Thema gemacht: Alleine die Phantasie lässt den Lebensnerv pulsieren, wie die betont fiktive ältere Schwester der jüngeren mitteilt: "Leben ist eine Erfindung. Du brauchst dafür eine gute Phantasie, bewahre sie Dir, sonst wird Dein Leben schwer ..." .
Solche schweren Momente gibt Tatjana Muster auch preis, resignative Augenblicke, in denen fast alle Hoffnung verloren scheint: "... nach Leben sehnend, welches nie geschieht; / - geschah" (26). Aber sie gibt eben nicht alle Hoffnung auf und ist sich der Gefahr der Resignation bewusst: "Wenn die schweren, schwarzen Wolken hinziehn / Und ihre Schatten auf meiner Seele bleiben, / dem eisig-schneidendem Winterwind / mein Herz nichts entgegensetzen wird, / [...] / Dann werden auch Buchstaben gefrieren, / als Eis zerspringen, / verloren für immer". Die "Buchstaben" sind in den letzten Zeilen exponiert; die beschriebenen Verlustängste kulminieren in ihnen. Das Schreiben, das mit den Buchstaben bezeichnet wird, ist hier in den Vordergrund gestellt.
Die lakonischen Äußerungen, schmerzgepeinigte Momente verdichtend im Kapitel "Von Schmerzlichem und Traurigem", legen die Vermutung nahe, dass die Urheberin nur mit dem Schreiben aus diesen Momenten wie ein Phoenix aus der Asche hervorgehen konnte: Das Gedicht "Rendezvous" hat sie eines frühen Morgens niedergeschrieben: "Heute nacht / hat mich / meine Krankheit / besucht / mit einem riesigen / roten / Strauß voller Schmerzen /...". Sätze wie der folgende lassen den Leser innehalten: "SCHMERZ BEISEITE / Tumor ist, / wenn du / trotzdem / lachst."
Manche Erfahrungen sind derart knapp destilliert, dass sie sich als Aphorismen im Kopf verankern:
"Und traurig, wenn sich Liebe als Selbstsuche entlarvt. Das ist Tod..." und haben ähnliche Wucht wie der von ihr zitierte Autor Dostojewski: "Liebe ist, einen Menschen so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat". Mit solchen Sentenzen geht sie weit über eine ,Betroffenheit' als Rollifahrerin oder als Ertaubte hinaus, berührt allgemein menschliche, ja, existentielle Themen.
Indem ich nun meine Lektüre von Tatjana Musters Buch hier ein wenig ,in Szene gesetzt' habe, befürchte ich fast, meine eigene Schwäche zu entblößen im Zusammenprall mit der kraftstrotzenden Emotionalität ihrer Zeilen. Sie erscheinen als der Ausdruck einer ungeheuren inneren Stärke, neben der ich mich einerseits schwach fühle. Doch auf der anderen Seite erfahre ich eine unglaubliche Stärkung, von der soll hier vor allem die Rede sein. Die Lektüre bedeutet für mich quasi ,zwei Schritte vor, einen zurück'. Die Autorin geht mit mutigem Beispiel voran, nicht den einen Schritt zurück zu scheuen, wenn zwei dabei gewonnen werden können. Und wenn sie die Schritte nicht laufen kann, dann fliegt sie sie eben.

Anmerkungen:
1) Hier nennt sie sich Tatjana. einigen Zeichen-Lesern ist sie sicher auch als Tanja Muster in Erinnerung: Tanja Muster u.a.: ,,FrauenLesbengruppe Bremen ,Die Hexenhände' stellt sich vor". In: Das Zeichen 34(1995), 448-453.

Verfasserin
Gunda Schröder, Redaktion Das Zeichen

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Rezension von Gunda Schröder in DAS ZEICHEN, Zeitschrift für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, Juni Nr.56 2001, 15. Jhg., S. 338 ff.

Minderheit in einem Meer von Minderheiten - von Ricarda Wank
erschienen in AKB-Bladl, Sommer 2/2001

Zwischen Dichtem und nicht ganz so Dichtem: Mit Wortspielen gegen Unverständnis, Sprachwitzen im Stil von Christian Morgenstern mit einer Reihe "nicht ganz dichter Gedichte" und einem Gedicht in drei Handstellungen, zwei Handformen und einer Gebärde ("Huhu"), konkreter Poesie, in Reimen manchmal, aber meist ohne, in kurzen Gedankenbruchstücken, Sätzen oder einmal in einem Satz von drei Seiten Länge ("Zugfahrt, zum Beispiel") spielt Tatjana Muster in ihrem ersten Lyrik- und Kurzprosawerk mit Vorurteilen und HERRschenden Meinungen, beschreibt Gefühle des Verachtet-werdens, der Abstempelung zu einer Randgruppe, und immer wieder solche der Zuneigung und des GIücks.
Eingebunden hat sie ein weites Thementeld, unter anderem alltägliche Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung allgemein oder ganz konkret bei Kulturveranstaltungen, "Vom Frausein und von sexueller Gewalt", "Vom Hoffen und Aufbrechen, von Intensivem", (Gegen-) Zeitgedichte und im letzten Teil des Buches einige Stücke Kurzprosa, die vereinzelt bereits prämiert wurden. Damit legt sie eine Sammlung ihrer Gedichte und Kurzgeschichten vor, die sie zwischen 1989 und dem Jahr 2000 zu Papier gebracht hat.
Sie schreibt gegen das MehrheitsDenken einer nicht-existierenden Mehrheit an, die patriarchale Züge trägt wie in ihrem Gedicht ,,Minderheit", oder für eine Selbstbefreiung der Frau aus ihrer Schattenrolle in der Kurzgeschichte "Erwacht", wobei sie nicht bei der Position einer Frau mit Behinderung stehen bleibt, sondern in einem weit größeren Kontext einordnet, der auch von täglichen Herabsetzungen geprägt ist. So ist das Buch nicht fixiert auf das Thema Behinderung oder Frau mit Behinderung, wenn das auch der Ausgangspunkt ist und immer wieder Bezugspunkt wird, sondern greift Einschränkungen anderer gesellschaftlicher Gruppierungen auf. Auf diese Weise erscheinen die Texte nicht verbittert, sondern fordern bestehende Strukturen heraus, regen zum Nachdenken an, besonders horizonterweiternd für (Zitat Muster) "NBs" - sogenannte Nichtbehinderte
Sie selbst schreibt im Vorwort über potentielle Adressaten: "Ich möchte mit diesem Buch nicht nur mir einen alten Wunsch erfüllen, nämlich viele persönliche Schmerzerfahrungen - manchmal jenseits von Behinderung und gesellschaftlichen Einflüssen - in einem Buch einen Namen finden zu lassen. Ich möchte darüberhinaus auch Menschen mit Behinderungen, ganz besonders Frauen, erreichen und sie ansprechen, errnutigen. Gerade in Zeiten, in denen Anderssein immer schwieriger wird, gesellschaftliche Veränderungen Konformität erzwingen und Lebensrechte in Frage stellen... Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem."
Die Autorin war bisher als Grafik-Designerin mit ihrem Kunstpostkartenprojekt "EntARTungen -Postkartenkunst von Krüppellrauen" engagiert, das seit 1996 besteht und zu dem sie selbst zahlreiche Gedichtkarten beigesteuert hat, die in den Lyrikband mit hineingenommen wurden. Seit ihrem 20. Lebensjahr ist sie gehörlos, zudem inzwischen Rollstuhlfahrerin aufgrund einer fortschreitenden Erkrankung
Tatjana Muster, Vom Rollen und anderen Dingen. Lyrik und Kurzprosa, 2001, Books on Demand, 2001, 140 S., 17,80 DM, ISBN 3-8311-1457-9.
Ricarda Wank


Auf der Suche

wohin habe ich nur heute wieder mein ich verlegt
ich glaube du, NB* stehst drauf

*NB hedeutei: nichtbehinderteR

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Rezension von Ricarda Wank

Minderheit in einem Meer von Minderheiten -

erschienen in AKB-Bladl, Sommer 2/2001
(Zeitung für Behinderte und Nichtbehinderte, AG Behinderte e.V. München)

erschienen in DIE QUERELE, Magazin der AIDS-Hilfe Leipzig e.V., November 2001
Von Monika Rohde

"Vom Rollen und anderen Dingen"

Hinter diesem mehrdeutigen Titel verbirgt sich ein sehr facettenreiches und lebendiges Buch. Die Autorin, durch eine schwere, fortschreitende Erkrankung stark gehandicapt und Rollstuhlfahrerin macht mit diesem Buch Mut zum Leben. Ihre Gedichte und Geschichten handeln zum Teil von ihren ganz persönlichen Schwierigkeiten, Problemen und Ängsten, ohne sich ausschließlich auf ihr individuelles Leiden zu konzentrieren. Die LeserInnen werden sich in vielem wiederfinden.
Tanja Muster schreibt über den alltäglichen Wahnsinn als Frau in unserer Gesellschaft: als Feministin in eine Schublade gesteckt, als Gehörlose kaum beachtet, als Rollifahrerin an den Rand gedrängt, als "Sehbehinderte" ausgegrenzt und in der Summe abgeschoben. Aber der Autorin gelingt es, die Gesellschaft und ihre Situation zu analysieren und zu refektieren, ohne wehleidig zu werden, manchmal etwas zynisch, manchmal ironisch - aber immer so, daß ich mich angesprochen fühle und ihr in vielem Recht geben muß. Aus ihrer Position kann sie Dinge wahrnehmen und zu Papier bringen -, die wir nicht empfinden oder verdrängen, beiseite geschoben haben oder nicht sehen wollen. Dabei sind ihre Texte assoziationsreich und gut lesbar. Ich halte es für ein sehr wichtiges und interessantes Buch, das niemand so schnell aus der Hand legen wird.


T.Muster, Von Rollen und anderen Dingen, ISBN 3-8311-1457-9, 17,80 DM

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erschienen in DIE QUERELE, Magazin der AIDS-Hilfe Leipzig e.V., November 2001
Von Monika Rohde

erschienen in VIRGINIA, Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Frühling 2002 - von Ahima Beerlage

Von fremden Welten

>>Die Blätter rascheln im Auge« schreibt die gehörlose Autorin Tatjana Muster in ihrem Gedicht »Horch!« und lässt uns an einer Welt teilnehmen, die von Vielen immer noch als defekte, unvollständige Realität gesehen wird. Die kurzen Texte und Gedichte sind konsequent aus der Perspektive der Rollstuhlfahrerin und gehörlosen Frau geschrieben. Oft verletzt-verletzlich, macht sie es den Leserinnen nicht leicht, über ihre Wahrnehmung hinwegzusehen. Wenn sie konstatiert: »Tumor ist, wenn du trotzdem lachst«, dann zeigt sie ihre Zähne. Sie nimmt die Leserinnen schonungslos mit auf eine Reise durch Zweifel, Verzweiflung, Hoffnung, Trotz und Wut. Einigen nichtbehinderten Frauen wird diese Reise sicher nicht so leicht fallen. Aber sie lohnt sich für die, die diese Welt ein bisschen mehr verstehen wollen. Tatjana Muster gibt viel von ihrer Person preis - manchmal so privat, dass es für unbedarfte Leserinnen nicht mehr nach-vollziehbar ist. Ungefiltert reihen sich Alltagseindrücke, Kommentare zu Zeitungsmeldungen, Gedichte für Freunde und fantastische Geschichten aneinander. Es ist eine Lektüre, die nicht in einem Zug genossen werden kann. Immer wieder sollte die Interessierte zu diesem Buch greifen, und sie wird stets etwas Neues finden.
Schade ist nur, dass Tatjana Muster kein sorgfaltiges Lektorat erhalten hat. So wirkt dieses Buch oft wie ein Rohdiamant, dessen Qualität nur zu erahnen ist. Es bleibt aber eine unverzichtbare Bereicherung für behinderte und nichtbehinderte Frauen/Lesben, die den ausgetretenen Pfaden scheinbarer Normalität wenigstens für Augenblicke entfliehen wollen. Es macht mutig und aufmerksam. Und das ist eine seltene Qualität.

Ahima Beerlage, 41 Jahre alt, Autorin und Online-Redakteurin, lebt in Berlin, ist gehbehindert, Lesbe und Vieles mehr. Bietet Kurse zum Thema »Umgang mit dem Anderssein - auf dem Weg zu einem besseren Miteinander« an. Mehrere Veröffentlichungen, u.a. in »Augenblicke«, »Verführungen« (Verlag Krug & Schadenberg) oder Lespress. Ihr erster Roman »Sterne im Bauch« ist 1998 bei Krug & Schadenberg erschienen.

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erschienen in VIRGINIA, Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Frühling 2002

von Ahima Beerlage

Lesungen:


Obwohl ich nicht grade eine Freundin vom Reden oder Gebärden vor einer Öffentlichkeit bin :o), freue ich mich, wenn ich zu einer Lesung aufgefordet werde wie z.B. von Frau A. Weirauch vom Verein "Lebendiger leben! e.V." in Dresden.


Lesung und Ausstellungseröffnung im Oberlandesgericht Dresden im August 2002

Ausgestellt werden Motive aus der Postkartenserie "EntARTungen" sowie einige Gedichte. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben.


Vielleicht gibts auch welche in Berlin, Freiburg, Bremen. Sobald genaueres feststeht, steht es hier. Wer gerne über email informiert werden will, soll
mir schreiben.