hab schon
viel in deinem buch gelesen. ich bin begeistert. du hast ja eine gabe, in wenigen worten so viel zu sagen. toll!
und vor allem: du schaffst es witzig und hintergründig zugleich zu sein. ich liebe wortspiele.
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Thomas K. |
Toll, toll,
Dein Buch ist sehr schön geworden. Ich habe gleich darin gelesen Mich haben die Gedichte sehr berührt.
Ich glaube, wir werden durch das Buch dich ganz neu kennenlernen.
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R. G. Muster |
Liebe Tanja,
vielen Dank für das Rezensionsexemplar! Habe mich schon einige Male in dein Buch versenkt und wurde immer
in den Bann geschlagen. Die Rezension wird hoffentlich in der Juni-Ausgabe von DAS ZEICHEN erscheinen....
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Gunda S. |
dein buch
habe ich mittlerweile auch, man kriegt es ohne weiteres, dauert nur ein wenig länger, wenn es bestellt wird.
nunja, ich war sehr fasziniert und habe es direkt zweimal hintereinander verschlungen. vor allem find ich
deine gedichte sehr mutig und auch nach vorne schauend. etwas weniger zugang hatte ich zu den prosas am ende. aber
da steige ich bestimmt auch noch hinter. ich finde, du bringst viele sachen auf den punkt und gefallen hat mir
auch, dass die gedichte auch andere linke, unbequeme sachen behandeln, wie eben gewalt gegen frauen. köstlich
fand ich z. b. die "rechtschreibreform", oder schmerz beiseite oder das kulturelle erlebnis. es gab natürlich
auch gedichte, die mir persönlich weniger gefallen haben, aber das soll dein buch keineswegs abwerten, vor
allem finde ich dein buch unglaublich mutig und es hat mir spass gemacht es zu lesen.
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Marion R. |
Liebe Frau
Muster, seit vorgestern besitze ich Ihr Buch. Frau B. hat uns die 5 Exemplare am Freitag aus Leipzig von Ihnen
mitgebracht und sie am Montag verteilt. Ich habe noch lange nicht alles gelesen, aber ich bin schon jetzt begeistert.
Sie haben eine wunderbare Art mit Sprache umzugehen und damit zu spielen, auch bei ernsten Themen - wo mir schon
manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Wir haben uns im Verein daraus gegenseitig vorgelesen und jede von
uns Frauen trifft es auf ihre Weise. Herzlichen Glückwunsch zu dieser so gelungenen Veröffentlichung!
Ich bin selbst auch sprachbegeistert und arbeite manchmal hobbymäßig als Anleiterin für kreatives
Schreiben, deshalb beeindruckt und beschäftigt mich Sprache auch so. ... Auch die beigefügten Karten
sind toll. Sie lesen wieder eine Mail von mir, so bald ich mit der Lektüre weiter fortgeschritten bin. Herzliche
Grüße und Dank für die Lesefreude und Lesetrauer, die Sie mir und vielen Anderen beschert haben.
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Angelika W. |
Hallo Tanu,
bin seit gestern stolze Besitzerin Deines Buches (ueber Amazon bestellt) und moechte Dir dazu gratulieren. Es ist
mit so viel Liebe geschrieben, zusammengestellt und layoutet, dass es zu meinem Standard-Geschenk fuer behinderte
Frauen in meinem Umfeld werden wird - vielleicht auch fuer ein paar nicht behinderte Frauen.
Ich hoffe, dass das Buch ein Erfolg wird/ist. Wirst Du Lesungen halten (vielleicht auch in Gebaerdensprache)? Waere mal was neues. :)
Viele Gruesse
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Christiane O. |
Hallo Tanja,
Dein Buch habe ich gelesen, viele Passagen mehrfach. Besonders gefallen hat mir:
- Guck mal
- Minderheit (hier fielen mir schlagartig die "Ossis" ein, wenn ich an die Löhne denke, aber ist
das überhaupt wichtig ?)
- Verdammt schwierig
- Entdeckung
- Mira
und, und, und.
Mit der Kurzprosa "Irrtum" hatte ich meine Probleme.
Dein Stil gefällt uns sehr, er ist tiefgründig, voller bitterem Humor. Ein Buch, wo einem die Oberflächlichkeit
des Alltags richtig bewusst wird. Die Nichtigkeiten worüber man sich aufregt. (Ob der Nachbar zum Beispiel
die Hausordnung macht oder nicht!) Man stellt sich die Frage "Was kann ich, was muss ich tun, um später
sagen zu können, das Leben war lebenswert. Mach weiter so.
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Christine und Gottfried S. |
Hab dein Buch
angefangen zu lesen (die ersten Seiten) Ich finde Dein Buch über das "Rollen und andere Dinge" begeisternd,
treffend in der Beschreibung des Alltagserlebens
und manchmal auch etwas verletzend gegenüber dem Durchschnittsmenschen. Es beschreibt ja Dein erleben in unserer
Zeit.
Von der künstlerischen Gestaltung sehr ansprechend und praktisch abwaschbar. |
Vera F. |
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Rezensionen:
"Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Rollstuhl" von J. Pätzold, in EVENTuell 2001, Leipzig
"Eine Frau fällt aus der Rolle" von G. Schröder in DAS ZEICHEN 2001, Hamburg
"Minderheit in einem Meer von Minderheiten" von R. Wank in AKB-Bladl 2001, München
"Vom Rollen und anderen Dingen" von M. Rohde in DIE QUERELE 2001, Leipzig
"Von fremden Welten" von A. Beerlage in VIRGINIA 2002, Frankfurt |
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Tatjana Muster: Vom Rollen und anderen Dingen, BoD 2001
"Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Rollstuhl"
Mit Wortwitz und Überzeugungskraft schreibt Tatjana Muster Gedichte und Kurzprosa über das "Behindert
werden" in der heutigen Zeit. Zum einen über den Schmerz, sich an fremden Maßstäben messen
lassen zu müssen, der "Normalität" nicht zu genügen, deshalb kaum als Frau, immer aber
als anders wahrgenommen zu werden. Zum anderen voller Kraft über den Zorn, den die fehlende Sensibilität
gegenüber Behinderten, das Nicht-Wissen-Wollen, auslöst. Es sind zum Teil sehr ernste Worte, die von
Freundschaft, Liebe und Frust berichten. Daneben aber sprießt der Humor in "nicht ganz dichten Gedichten"
á la Morgenstern. Und die Leipziger Autorin beweist, dass sie mit Prosa ebenso gut wie mit Gedichten umzugehen
weiß. Das Buch ist für behinderte wie nichtbehinderte Frauen eine Bestärkung, das politische Engagement
nicht aufzugeben!
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Rezension erschienen in der EVENTuell 5/01 (Leipziger Frauenveranstaltungskalender)
von Johanna Pätzold |
Eine Frau fällt aus der Rolle
"Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem"
von Gunda Schröder in DAS ZEICHEN, Zeitschrift für Gebärdensprache
und Kommunikation Gehörloser, Juni Nr.56 2001, 15. Jhg., S. 338 ff.
Aus einem marsroten Hintergrund rotiert eine exzentrisch versprühende in hellem Sonnengelb heraus. Vor diesem
aggressiven Farb- und Formenspiel ruht die blaue Titelschrift wie der Dreh- und Angelpunkt der optischen Spannugsentladung.
Diesen visuell starken Eindruck vermittelt das Cover Buches VOM ROLLEN UND ANDEREN DINGEN, dem ersten Lyrik- und
Kurzprosaband von Tatjana Muster. Die Gedichte, Kurzerzählungen und Sprachexperimente sind in den Jahren 1989
bis 2000 entstanden und wurden nun bei Books on Demand zusammengefasst und herausgegeben.
Die emotionale Kraft, die bereits in der Gestaltung des Covers zu spüren ist, setzt sich auch in der literarischen
Ausdrucksform der Autorin fort. So, wie sich das Cover in unterschiedlichster Weise interpretieren lässt,
variiert sie die Themen, denen sie sich sprachlich anzunähern versucht und weist ein ,mustergültiges'
Ergebnis mit einem besonderen Tonfall vor. Der thematischen wie formalen Vielfalt setzt sie ein eigenes Gepräge
auf und verfolgt dabei das Ziel: "Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem".
Tatjana Muster, Jahrgang 1968, hat Germanistik sowie Kulturwissenschaft studiert und war als Grafikdesignerin tätig
(1). Wegen einer fortschreitenden Krankheit ist ihr Sehvermögen eingeschränkt. Sie ist ertaubt, auf einen
Rollstuhl angewiesen und schon alleine deswegen "anders und unbequemer" als viele andere Menschen.
Sie stellt Forderungen an die Umwelt und teilt Kritik in alle Richtungen aus: Ihr erstes Gedicht, das sie allen
anderen voranstellt, ist mit dem Zusatztitel versehen: "Überall draußen". So ist die Schwerhörige
unter Hörenden "weggeschoben", genauso wie die Frau unter Männern oder die Rollifahrerin unter
Gehörlosen. Überall das Gleiche:
"und the same procedure in sogenannten political correct kreisen". So grenzen auch Gehörlose Menschen
mit anderen oder zusätzlichen Behinderungen aus, organisieren z.B. Kulturveranstaltungen in für Rollis
nicht erreichbaren Räumen und sind darin nicht anders als Hörende. Unverkennbar ist Tatjana Musters politischer
Anspruch, der bereits Geschichte hat: Anderthalb Jahre layoutet sie die behinderten-politische Zeitschrift die
randschau, bevor deren Produktion eingestellt werden musste.
Mit den vorgelegten Gedichten und Kurztexten ist sie "AUF DER SUCHE" nach einem Selbstbild, das nicht
gesellschaftlich bestimmt ist und sie als Behinderte negiert: "Wohin habe ich nur / heute wieder / mein ich
/ verlegt/ich glaube/ du, NB / stehst drauf" (NB bedeutet: nichtbehinderteR).
In ihrem Werk sind die feinen Verästelungen der Auswirkungen des Behindert-ist-man-nicht,-behindert-wird-man
sehr genau verzeichnet. Sie spürt einige Redewendungen und Schreibweisen auf und plaziert sie auf frappierende
Weise, wie z.B. in "GEFLÜGELTE WORTE huhn/adler/möwe/amsel/spatz/ taube nuss".
Neben der geschriebenen Sprache scheint auch die Gebärdensprache eine wichtige Rolle für die Autorin
zu spielen: In manchen Gedichten vermerkt sie zu einzelnen Zeilen, dass sie zusätzlich gebärdet werden
sollen, um gänzlich verständlich zu sein. Ein niedliches und in seiner Schlichtheit schönes Kindergedicht
"HUHU (für Ludwig)" besteht aus nur 3 Handstellungen, 2 Handformen und 1 Gebärde. Im Anhang
ist ein Fingeralphabet und eine Erklärung zu "Was ist gehörlos, ertaubt, schwerhörig?"
zu finden.
In etlichen Texten scheint der Topos des Schreibens als Leben auf, weil Tatjana Muster mit dem Schreiben Vieles
möglich ist. Sie ist als ertaubte und schlechtsehende Rollifahrerin in gesellschaftlich bestimmten Räumen
nicht so flexibel wie ,normale' Menschen, aber fliegen kann sie: Im magischen Raum der Literatur fliegt sie - alles
ist möglich, was die produktive Phantasie hergibt. So fliegt sie ihre zehn Runden um den Block. Die Freundinnen
hingegen müssen joggen, denn ohne Sehnsucht "ist man zu schwer zum fliegen".
Im Kapitel "Nicht ganz dichte Gedichte" lässt sie der produktiven Phantasie im morbid-kecken Stil
eines Christian Morgenstern freien Lauf: "Wer stapfte zur goligen Gruft? / Wer fuschte die läuige Luft?/
Wer war das? / - der Mehrschuft? / Achwas. /..." .
In einer Erzählung schlägt ihre Phantasie weitere Purzelbäume: Die Geschichte "Meine Schwester"
beendet sie auf folgende Art: "Hier hat es angefangen und hier soll es enden, unter dieser Trauerweide, diesem
blauen Himmel. Diese Geschichte wäre zu erzählen gewesen. Aber ich habe nie eine Schwester gehabt".
Mit der Offenbarung ,Aber ich habe nie eine Schwester gehabt' macht sie einen Rückzieher aus ihrer fiktiven
Erzählhaltung. Mit der selben Eigenmächtigkeit, mit welcher sie ihre erzählerische Seifenblase hat
entstehen lassen lässt sie sie wieder zerplatzen. (Oder sie hat selber nicht genug an ihre Geschichte glauben
können?) Der Erzählbogen führt wieder in die Wirklichkeit der Erzählerin zurück, decouvriert
den doppelten Boden, aus dem die Geschichte gezaubert worden ist und lässt den Leser an seiner Illusion quasi
auflaufen. So wird die Leichtigkeit, aber auch die Fragilität erzählter Phantasiegebilde spürbar
und zum Thema gemacht: Alleine die Phantasie lässt den Lebensnerv pulsieren, wie die betont fiktive ältere
Schwester der jüngeren mitteilt: "Leben ist eine Erfindung. Du brauchst dafür eine gute Phantasie,
bewahre sie Dir, sonst wird Dein Leben schwer ..." .
Solche schweren Momente gibt Tatjana Muster auch preis, resignative Augenblicke, in denen fast alle Hoffnung verloren
scheint: "... nach Leben sehnend, welches nie geschieht; / - geschah" (26). Aber sie gibt eben nicht
alle Hoffnung auf und ist sich der Gefahr der Resignation bewusst: "Wenn die schweren, schwarzen Wolken hinziehn
/ Und ihre Schatten auf meiner Seele bleiben, / dem eisig-schneidendem Winterwind / mein Herz nichts entgegensetzen
wird, / [...] / Dann werden auch Buchstaben gefrieren, / als Eis zerspringen, / verloren für immer".
Die "Buchstaben" sind in den letzten Zeilen exponiert; die beschriebenen Verlustängste kulminieren
in ihnen. Das Schreiben, das mit den Buchstaben bezeichnet wird, ist hier in den Vordergrund gestellt.
Die lakonischen Äußerungen, schmerzgepeinigte Momente verdichtend im Kapitel "Von Schmerzlichem
und Traurigem", legen die Vermutung nahe, dass die Urheberin nur mit dem Schreiben aus diesen Momenten wie
ein Phoenix aus der Asche hervorgehen konnte: Das Gedicht "Rendezvous" hat sie eines frühen Morgens
niedergeschrieben: "Heute nacht / hat mich / meine Krankheit / besucht / mit einem riesigen / roten / Strauß
voller Schmerzen /...". Sätze wie der folgende lassen den Leser innehalten: "SCHMERZ BEISEITE /
Tumor ist, / wenn du / trotzdem / lachst."
Manche Erfahrungen sind derart knapp destilliert, dass sie sich als Aphorismen im Kopf verankern:
"Und traurig, wenn sich Liebe als Selbstsuche entlarvt. Das ist Tod..." und haben ähnliche Wucht
wie der von ihr zitierte Autor Dostojewski: "Liebe ist, einen Menschen so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat".
Mit solchen Sentenzen geht sie weit über eine ,Betroffenheit' als Rollifahrerin oder als Ertaubte hinaus,
berührt allgemein menschliche, ja, existentielle Themen.
Indem ich nun meine Lektüre von Tatjana Musters Buch hier ein wenig ,in Szene gesetzt' habe, befürchte
ich fast, meine eigene Schwäche zu entblößen im Zusammenprall mit der kraftstrotzenden Emotionalität
ihrer Zeilen. Sie erscheinen als der Ausdruck einer ungeheuren inneren Stärke, neben der ich mich einerseits
schwach fühle. Doch auf der anderen Seite erfahre ich eine unglaubliche Stärkung, von der soll hier vor
allem die Rede sein. Die Lektüre bedeutet für mich quasi ,zwei Schritte vor, einen zurück'. Die
Autorin geht mit mutigem Beispiel voran, nicht den einen Schritt zurück zu scheuen, wenn zwei dabei gewonnen
werden können. Und wenn sie die Schritte nicht laufen kann, dann fliegt sie sie eben.
Anmerkungen:
1) Hier nennt sie sich Tatjana. einigen Zeichen-Lesern ist sie sicher auch als Tanja Muster in Erinnerung: Tanja
Muster u.a.: ,,FrauenLesbengruppe Bremen ,Die Hexenhände' stellt sich vor". In: Das Zeichen 34(1995),
448-453.
Verfasserin
Gunda Schröder, Redaktion Das Zeichen
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Rezension von Gunda Schröder in DAS ZEICHEN, Zeitschrift für Gebärdensprache
und Kommunikation Gehörloser, Juni Nr.56 2001, 15. Jhg., S. 338 ff. |
Minderheit in einem Meer von Minderheiten - von Ricarda Wank
erschienen in AKB-Bladl, Sommer 2/2001
Zwischen Dichtem und nicht ganz so Dichtem: Mit Wortspielen gegen Unverständnis, Sprachwitzen im Stil von
Christian Morgenstern mit einer Reihe "nicht ganz dichter Gedichte" und einem Gedicht in drei Handstellungen,
zwei Handformen und einer Gebärde ("Huhu"), konkreter Poesie, in Reimen manchmal, aber meist ohne,
in kurzen Gedankenbruchstücken, Sätzen oder einmal in einem Satz von drei Seiten Länge ("Zugfahrt,
zum Beispiel") spielt Tatjana Muster in ihrem ersten Lyrik- und Kurzprosawerk mit Vorurteilen und HERRschenden
Meinungen, beschreibt Gefühle des Verachtet-werdens, der Abstempelung zu einer Randgruppe, und immer wieder
solche der Zuneigung und des GIücks.
Eingebunden hat sie ein weites Thementeld, unter anderem alltägliche Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung
allgemein oder ganz konkret bei Kulturveranstaltungen, "Vom Frausein und von sexueller Gewalt", "Vom
Hoffen und Aufbrechen, von Intensivem", (Gegen-) Zeitgedichte und im letzten Teil des Buches einige Stücke
Kurzprosa, die vereinzelt bereits prämiert wurden. Damit legt sie eine Sammlung ihrer Gedichte und Kurzgeschichten
vor, die sie zwischen 1989 und dem Jahr 2000 zu Papier gebracht hat.
Sie schreibt gegen das MehrheitsDenken einer nicht-existierenden Mehrheit an, die patriarchale Züge trägt
wie in ihrem Gedicht ,,Minderheit", oder für eine Selbstbefreiung der Frau aus ihrer Schattenrolle in
der Kurzgeschichte "Erwacht", wobei sie nicht bei der Position einer Frau mit Behinderung stehen bleibt,
sondern in einem weit größeren Kontext einordnet, der auch von täglichen Herabsetzungen geprägt
ist. So ist das Buch nicht fixiert auf das Thema Behinderung oder Frau mit Behinderung, wenn das auch der Ausgangspunkt
ist und immer wieder Bezugspunkt wird, sondern greift Einschränkungen anderer gesellschaftlicher Gruppierungen
auf. Auf diese Weise erscheinen die Texte nicht verbittert, sondern fordern bestehende Strukturen heraus, regen
zum Nachdenken an, besonders horizonterweiternd für (Zitat Muster) "NBs" - sogenannte Nichtbehinderte
Sie selbst schreibt im Vorwort über potentielle Adressaten: "Ich möchte mit diesem Buch nicht nur
mir einen alten Wunsch erfüllen, nämlich viele persönliche Schmerzerfahrungen - manchmal jenseits
von Behinderung und gesellschaftlichen Einflüssen - in einem Buch einen Namen finden zu lassen. Ich möchte
darüberhinaus auch Menschen mit Behinderungen, ganz besonders Frauen, erreichen und sie ansprechen, errnutigen.
Gerade in Zeiten, in denen Anderssein immer schwieriger wird, gesellschaftliche Veränderungen Konformität
erzwingen und Lebensrechte in Frage stellen... Ich möchte den Mut vermitteln, anders zu bleiben und unbequem."
Die Autorin war bisher als Grafik-Designerin mit ihrem Kunstpostkartenprojekt "EntARTungen -Postkartenkunst
von Krüppellrauen" engagiert, das seit 1996 besteht und zu dem sie selbst zahlreiche Gedichtkarten beigesteuert
hat, die in den Lyrikband mit hineingenommen wurden. Seit ihrem 20. Lebensjahr ist sie gehörlos, zudem inzwischen
Rollstuhlfahrerin aufgrund einer fortschreitenden Erkrankung
Tatjana Muster, Vom Rollen und anderen Dingen. Lyrik und Kurzprosa, 2001, Books on Demand, 2001, 140 S., 17,80
DM, ISBN 3-8311-1457-9.
Ricarda Wank
Auf der Suche
wohin habe ich nur heute wieder mein ich verlegt
ich glaube du, NB* stehst drauf
*NB hedeutei: nichtbehinderteR
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Rezension von Ricarda Wank
Minderheit in einem Meer von Minderheiten -
erschienen in AKB-Bladl, Sommer 2/2001
(Zeitung für Behinderte und Nichtbehinderte, AG Behinderte e.V. München) |
erschienen in DIE QUERELE, Magazin der AIDS-Hilfe Leipzig e.V.,
November 2001
Von Monika Rohde
"Vom Rollen und anderen Dingen"
Hinter diesem mehrdeutigen Titel verbirgt sich ein sehr facettenreiches und lebendiges Buch. Die Autorin, durch
eine schwere, fortschreitende Erkrankung stark gehandicapt und Rollstuhlfahrerin macht mit diesem Buch Mut zum
Leben. Ihre Gedichte und Geschichten handeln zum Teil von ihren ganz persönlichen Schwierigkeiten, Problemen
und Ängsten, ohne sich ausschließlich auf ihr individuelles Leiden zu konzentrieren. Die LeserInnen
werden sich in vielem wiederfinden.
Tanja Muster schreibt über den alltäglichen Wahnsinn als Frau in unserer Gesellschaft: als Feministin
in eine Schublade gesteckt, als Gehörlose kaum beachtet, als Rollifahrerin an den Rand gedrängt, als
"Sehbehinderte" ausgegrenzt und in der Summe abgeschoben. Aber der Autorin gelingt es, die Gesellschaft
und ihre Situation zu analysieren und zu refektieren, ohne wehleidig zu werden, manchmal etwas zynisch, manchmal
ironisch - aber immer so, daß ich mich angesprochen fühle und ihr in vielem Recht geben muß. Aus
ihrer Position kann sie Dinge wahrnehmen und zu Papier bringen -, die wir nicht empfinden oder verdrängen,
beiseite geschoben haben oder nicht sehen wollen. Dabei sind ihre Texte assoziationsreich und gut lesbar. Ich halte
es für ein sehr wichtiges und interessantes Buch, das niemand so schnell aus der Hand legen wird.
T.Muster, Von Rollen und anderen Dingen, ISBN 3-8311-1457-9, 17,80 DM
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erschienen in DIE QUERELE, Magazin der AIDS-Hilfe Leipzig e.V., November 2001
Von Monika Rohde |
erschienen in VIRGINIA, Zeitschrift für Frauenbuchkritik,
Frühling 2002 - von Ahima Beerlage
Von fremden Welten
>>Die Blätter rascheln im Auge« schreibt die gehörlose Autorin Tatjana
Muster in ihrem Gedicht »Horch!« und lässt uns an einer Welt teilnehmen, die von Vielen immer
noch als defekte, unvollständige Realität gesehen wird. Die kurzen Texte und Gedichte sind konsequent
aus der Perspektive der Rollstuhlfahrerin und gehörlosen Frau geschrieben. Oft verletzt-verletzlich, macht
sie es den Leserinnen nicht leicht, über ihre Wahrnehmung hinwegzusehen. Wenn sie konstatiert: »Tumor
ist, wenn du trotzdem lachst«, dann zeigt sie ihre Zähne. Sie nimmt die Leserinnen schonungslos mit
auf eine Reise durch Zweifel, Verzweiflung, Hoffnung, Trotz und Wut. Einigen nichtbehinderten Frauen wird diese
Reise sicher nicht so leicht fallen. Aber sie lohnt sich für die, die diese Welt ein bisschen mehr verstehen
wollen. Tatjana Muster gibt viel von ihrer Person preis - manchmal so privat, dass es für unbedarfte Leserinnen
nicht mehr nach-vollziehbar ist. Ungefiltert reihen sich Alltagseindrücke, Kommentare zu Zeitungsmeldungen,
Gedichte für Freunde und fantastische Geschichten aneinander. Es ist eine Lektüre, die nicht in einem
Zug genossen werden kann. Immer wieder sollte die Interessierte zu diesem Buch greifen, und sie wird stets etwas
Neues finden.
Schade ist nur, dass Tatjana Muster kein sorgfaltiges Lektorat erhalten hat. So wirkt dieses Buch oft wie ein Rohdiamant,
dessen Qualität nur zu erahnen ist. Es bleibt aber eine unverzichtbare Bereicherung für behinderte und
nichtbehinderte Frauen/Lesben, die den ausgetretenen Pfaden scheinbarer Normalität wenigstens für Augenblicke
entfliehen wollen. Es macht mutig und aufmerksam. Und das ist eine seltene Qualität.
Ahima Beerlage, 41 Jahre alt, Autorin und Online-Redakteurin, lebt in Berlin, ist gehbehindert, Lesbe und Vieles
mehr. Bietet Kurse zum Thema »Umgang mit dem Anderssein - auf dem Weg zu einem besseren Miteinander«
an. Mehrere Veröffentlichungen, u.a. in »Augenblicke«, »Verführungen« (Verlag
Krug & Schadenberg) oder Lespress. Ihr erster Roman »Sterne im Bauch« ist 1998 bei Krug & Schadenberg
erschienen.
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erschienen in VIRGINIA, Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Frühling 2002
von Ahima Beerlage |